Nein zu Militarisierung und Aufrüstung!

3. März 2022

Am vergangenen Sonntag hat die Bundesregierung das massivste Rüstungspaket der jüngeren deutschen Geschichte verkündet. 100 Milliarden Euro Sondervermögen sollen allein dieses Jahr in neue Waffensysteme wie Drohnen und Jagdbomber fließen. Geht es nach den Wünschen des Bundeskanzlers Olaf Scholz, soll dieses Sondervermögen im Grundgesetz abgesichert werden. Damit würde die Intention der Mütter und Väter des Grundgesetzes für eine friedliche Nachkriegsordnung final ad absurdum geführt werden.

Schon 1998 war es eine rot-grüne Bundesregierung, die, als erste Bundesregierung überhaupt, Deutschland nach 1945 in einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führte. Die gleichen haltlosen Argumente der damaligen Regierungsvertreter Deutschlands werden heute durch die russische Administration zur Rechtfertigung des Angriffs auf die Ukraine genutzt. Vollkommen zurecht verurteilen das Internationale Auschwitzkomitee und Vertreter der Internationalen Lagerkomitees die Verwendung der Worte „Entnazifizierung“ und „Völkermord“ zur Rechtfertigung des Angriffs auf die Ukraine. Ebenso sind in Zusammenhang mit einem russischen Angriff nahe der Gedenkstätte Babyn Jar, Analogien zu einem der größten deutschen Massaker zurückzuweisen.

Antifaschist*innen sind dazu aufgerufen, alle kriegerischen Akte zu verurteilen und für einen stabilen Frieden einzutreten!

Die Logik der Aufrüstung und Gewalt weist die VVN-BdA zurück. Die VVN-BdA steht für Frieden und Völkerverständigung als Lehre aus dem von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg. Umso furchtbarer ist die aktuelle Entwicklung und Bedrohung der atomaren Selbstvernichtung der Menschheit, auch durch den größten Nachfolgestaat der Sowjetunion. Wir fordern ein Ende der atomaren Aufrüstung und eine Rückkehr zu den gekündigten Abrüstungsprogrammen.

Es schmerzt, dass keine Regierung aus der Vergangenheit gelernt zu haben scheint und weiter der Aufrüstung das Wort geredet wird.

  • Die VVN-BdA wirbt für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch!
  • Wir fordern die russische Regierung dazu auf, ihre Truppen auf russisches Staatsgebiet zurückzuziehen!
  • Wir fordern sämtliche Staaten dazu auf, endlich die todbringende Spirale von Rüstung und Gegenrüstung zu durchbrechen und Maßnahmen der Entspannung einzuleiten!
  • Wir begrüßen die bedingungslose Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge in der EU und fordern die rassistische Ausgrenzung anderer Flüchtlinge an den Grenzen sofort zu stoppen sowie das Ende europäischer Abschottungspolitik!

Bundessprecher*innenkreis der VVN-BdA

*EINLADUNG* 75 Jahre VVN

1. März 2022

Am 26. März feiern wir unseren 75. Geburtstag in Frankfurt am Main. Unter dem Motto „Antifaschismus bleibt unverzichtbar!“ erinnern wir an 75 Jahre antifaschistisches Engagement, Einsatz für den Frieden, Erinnerung an Nazi-Terror und Widerstand und eine klare Haltung gegen Neofaschist*innen. Es ist heute dringender denn je!

➡️ Wir laden alle unsere Mitgliedern und Interessierte herzlich dazu ein, mit uns im Haus Gallus in Frankfurt am Main zu feiern.

Wann: 26.03.2022 ab 18 Uhr
Wo: Haus Gallus, Frankfurt am Main

➡️ Du willst dabei sein? Dann melde dich an unter: vvn-bda.de/anmeldung-zur-veranstaltung. Die Teilnahme ist aufgrund der Pandemie auf 280 Plätze begrenzt.

Programm

Rückschau auf 75 Jahre VVN u.a. mit Dr. Ulrich Schneider
Spoken Word von Dr.in Reyhan Şahin aka Lady Bitch Ray
Musik: Hommage an Emil Mangelsdorff mit dem Thomas Siffling Trio
Klezmer mit Roman Kupperschmidt und Band
Sektempfang, Imbiss, Getränke

Von der Gründung bis heute: Vom 15. bis 17. März 1947 fand in Frankfurt am Main die „1. Interzonale Länderkonferenz der VVN“ statt. Vertreter*innen der 250.000 Überlebenden des faschistischen Terrors gründeten an diesem Wochenende den Gesamtdeutschen Rat der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.

Verbote und Verbotsversuche in der BRD, formelle Auflösung in der DDR, Angriffe von Rechts, fortgesetzte Diffamierung durch den Inlandsgeheimdienst und die Drohung mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit – die VVN, seit der Öffnung für die nachfolgenden Generationen von Antifaschist*innen im Jahr 1971 als VVN-BdA – hat in ihrer bewegten Geschichte schon einige Hindernisse überwinden müssen. Immer erfolgreich! Heute haben wir mehr Mitglieder denn je und gehen aus dem Kampf um die Gemeinnützigkeit gestärkt hervor.

Kontakt: Hannah Geiger, presse@vvn-bda.de, 0178 278 59 58
Du willst immer auf dem neusten Stand sein? Dann abonniere unseren Newsletter: https://lists.vvn-bda.de/wws/subscribe/newsletter.bundesvereinigung und folge uns auf Social Media.
VVN-BdA      @VVNBdA  @vvn_bda

Friedensbewegung: Die Waffen nieder – nein zum Krieg

25. Februar 2022

Wir verurteilen die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine. Für Krieg gibt es keine Rechtfertigung. Die Mitschuld des Westens besonders der USA und der NATO rechtfertigen keinesfalls diese militärische Aggression.

Die Bombardierungen müssen sofort gestoppt werden. Notwendig ist ein umfassender Waffenstillstand, der Rückzug aller Truppen und ein zurück an den Verhandlungstisch.

Politische Reaktionen des Westens sollten auf die Wiederaufnahme von Gesprächen gerichtet sein, weiteren Hass und Konfrontation vermeiden und nicht die Bevölkerung Russlands treffen. Deswegen lehnen wir Sanktionen ab.

Es gibt keine militärische, sondern nur eine politische Lösung auf der Basis der Prinzipien der gemeinsamen Sicherheit.

Lasst uns gegen den Krieg, für eine Politik der gemeinsamen Sicherheit auf die Straße gehen. Es gibt keine Alternative zu Dialog und Kooperation – gerade jetzt.

Friedens- und Zukunftswerkstatt e. V.
c/o Frankfurter Gewerkschaftshaus
Wilhelm-Leuschner-Str. 69 – 77
60329 Frankfurt am Main
Tel.: 069 242499.50
Fax: 069 242499.51
Frieden-und-zukunft@t-online.de

Zur militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine hat die VVN-BdA folgende Erklärung veröffentlicht: https://vvn-bda.de/die-waffen-nieder-erklaerung-der-vvn-bda-zum-ueberfall-auf-die-ukraine/#more-4116

Nachruf Emil Mangelsdorff

31. Januar 2022

Ich glaube an die Wendung zum Besseren.
Emil Mangelsdorff, 2006
 
Emil Mangelsdorff
11. April 1925 – 21. Januar 2022
Wir müssen Abschied nehmen von einem begnadeten Musiker.

Seine Liebe zur Musik und seine große Lebensfreude gaben ihm die Kraft, bis ins hohe Alter einen aktiven Platz einzunehmen. Emil war ein Geschenk für alle, die ihm begegnen durften.

Das lange Schweigen in der Pandemie hat auch ihn verstummen lassen. Seine Gesprächskonzerte „Jazzmusiker im 3.Reich“ waren ein wichtiger und authentischer Beitrag der Erinnerungsarbeit, wir sind dankbar, dass wir ihn durch Kulturzentren, Schulen, Kirchen und Synagogen begleiten durften.

Er liebte die Bühne und sein Publikum, das Publikum verehrte und liebte ihn. Seine Musik, seine freundliche und fröhliche Art, werden wir in Erinnerung behalten. Wir sind dankbar, seine Stimme wird uns fehlen.

Wir verabschieden uns am Mittwoch, den 2. Februar, 12.00 Uhr am Frankfurter Hauptfriedhof. Wegen der aktuellen Hygiene-Auflagen haben nur 30 Menschen Zutritt in die Trauerhalle.

 

75 Jahre VVN Hessen

27. September 2021

Die Feier zum 75. Geburtstag der VVN am 18. Juli in Frankfurt-Höchst war unserer kurz zuvor verstorbenen Ehrenvorsitzenden Esther Bejarano gewidmet.
Ihr Bild auf der Bühne begleitete uns an diesem Nachmittag.
Ulrich Schneider eröffnete die Feier mit dem Gedenken an diese großartige Frau, an ihren Mut und ihre beispielhafte Tatkraft gegen Faschismus und für die Verwirklichung der Menschenrechte bis zuletzt.
Rund 200 Gäste aus ganz Hessen waren auf das Freigelände an der Jahrhunderthalle gekommen.

Wir veröffentlichen hier die Rede von Ulrich Schneider:

In diesem Jahr feiern verschiedene antifaschistische Gruppe den 100. Geburtstag der „Antifa“ – sie nehmen dabei Bezug auf die ersten organisierten Gruppen in Italien, die Arditi del Popolo, die sich gegen den Vormarsch der faschistischen Schwarzhemden, der Mussolini-Schlägertruppe wehrten.
Auch in Deutschland entstanden Anfang der 1920er Jahre die ersten antifaschistischen Initiativen aus den Reihen der Arbeiterbewegung, der Antifaschisten-Tag der KPD, die „Antifaschistische Aktion“ und Anfang der 1930er Jahre die sozialdemokratische „Eiserne Front“.
Wenn wir heute den 75. Jahrestag der Gründung der hessischen VVN begehen, dann können wir zurecht daran erinnern, dass viele der Frauen und Männer aus Hessen, die sich in diesen Monaten in den VVN zusammenfanden, Teil dieser antifaschistischen Bewegung waren, die sich dem aufkommenden Faschismus und später dem Faschismus an der Macht entgegenstellten. Und so ist es überhaupt nicht anmaßend, wenn wir als VVN in Anspruch nehmen, tatsächlich diese hundertjährige Geschichte der antifaschistischen Bewegung zu repräsentieren.
Aber – und das macht den erweiterten Charakter der VVN nach 1945 aus – sie repräsentierte von Anfang an auch diejenigen, die aufgrund der faschistischen Zuschreibung z.B. in der Rassepolitik und der sozialen Ausgrenzungen als „Opfer des Faschismus“ erheblichen Unterstützungsbedarf hatten.

75 Jahre VVN – 18.7.2021 – Höchst

Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung hatten – beauftragt von den alliierten Besatzungsoffiziere – unmittelbar nach der Befreiung 1945 als Bürgermeister, Polizeichefs, Schul- und Sozialdezernenten oder – wie der ehemalige Dachau-Häftling Oskar Müller – als Arbeitsminister in der ersten hessischen Landesregierung ihren Beitrag zum antifaschistisch-demokratischen Neubeginn geleistet. Sie schufen überparteiliche antifaschistische Komitees, wirkten in den antifaschistisch-demokratischen Parteien.

Sie bauten die Betreuungsstellen für politisch, rassisch und religiös Verfolgte auf, an deren Spitze vertrauenswürdige Kameradinnen und Kameraden standen. Ich möchte hier nur einige wenige nennen: Otto Roth und Lore Wolf in Frankfurt, Karl Schild in Offenbach, Ria Deeg in Gießen und Max Mayr in Kassel.
Mit dieser Arbeit verbanden die Antifaschisten mehr als nur die Sicherung von Entschädigung und Sozialfürsorge. Sie nutzten dies zur politischen Vernetzung im Sinne der Verwirklichung des politischen Vermächtnisses der Überlebenden. Und bald schon zeigte sich die Notwendigkeit einer eigenständigen Organisation der Widerstandskämpfer und Verfolgten:
Zum einen wurden die Betreuungsstellen in Behörden umgewandelt, sie hatten damit zwar eine staatliche Funktion, jedoch keine politische Selbstständigkeit mehr. Zweitens veränderte sich das gesamte politische Klima, die Ost-West-Konfrontation wurde immer sichtbarer und das politische Gewicht der Stimme der Antifaschisten schien abzunehmen.

Auf diese Entwicklung reagierten die Überlebenden der faschistischen Verfolgung, indem sie eigene Vereinigungen schufen, wobei selbst ihre Organisation durch die Alliierten lizenziert werden musste. Ohne jedoch auf formale Genehmigungen der Besatzungsmacht zu warten, organisierten sie – trotz großer Schwierigkeiten – informelle Treffen zwischen den Zonenbeauftragten der Verfolgten. So kamen im August 1946 in Hanau – und damit verbindet sich unsere heutige Feier zum 75. Gründungsjubiläum – Vertreter aus Hamburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Stuttgart und Frankfurt zusammen, um die Strukturen für eine gemeinsame Organisation aller Nazigegner zu beraten. Als Name wurde – wie Emil Carlebach später berichtete – mit Rücksicht auf die Westalliierten „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ gewählt.

Nun gründeten die Überlebenden in zahlreichen hessischen Städten VVN-Orts- und Kreisvereinigungen, u.a. in Kassel, Gießen, Hanau, Offenbach, Darmstadt und Frankfurt/M. Anfang 1947 war dieser Prozess so weit abgeschlossen, dass mit Zustimmung der Alliierten für den 24. Februar 1947 eine Landesversammlung in Gießen einberufen werden konnte, wo ein Landesvorstand gewählt wurde. Dieser Vorstand repräsentiert damals die gesamte Bandbreite des politischen Spektrums der antifaschistisch-demokratischen Organisationen und alle wichtigen Opfergruppen faschistischer Verfolgung. An der Spitze stand Dr. Hans Mayer, Marxist, Jude, Emigrant, Staatsrechtler und Literaturwissenschaftler, der – zurückgekehrt aus dem Schweizer Exil – 1945/46 als politischer Redakteur bei Radio Frankfurt, dem Sender der Amerikaner gearbeitet hatte. Wegen kritischen Anmerkungen über Entnazifizierung und andere Bereiche der Besatzungspolitik war er von dieser Aufgabe entbunden worden. Nun setzte er sich mit großem Engagement und klaren Worten für die sozialen und politischen Interessen der ehemaligen Verfolgten ein.

Ich kann und will an dieser Stelle jetzt keinen Gang durch die Geschichte der BRD machen, obwohl es durchaus reizvoll wäre, das Wirken der VVN gegen politische Restauration, Renazifizierung und Remilitarisierung nachzuzeichnen. Dass sich die Organisation dabei mit den Regierenden anlegte – egal ob es die sozialdemokratische hessische Landesregierung war oder die Adenauer-Administration, in der ein Nazijurist wie Hans Globke Kanzleramtsminister sein konnte – dürfte verständlich sein.
Ebenso wie die Tatsache, dass auch der Kalte Krieg und die damit verbundenen innenpolitischen Konflikte keinen Bogen um unsere Organisation machten. So erlebten wir auch in Hessen die Folgen des Unvereinbarkeitsbeschlusses der SPD, sowie später den Austritt von Prof. Eugen Kogon und einige seiner Freunde, die den „Verband für Freiheit und Menschenrecht“ gründeten. Zwar erreichte dieser Verband zu keinem Zeitpunkt tatsächliche politische Bedeutung oder eine größere Mitgliederzahl, aber er wurde durch Gelder des Bundesinnenministeriums finanziell am Leben erhalten. Für die Medien war damit die Stigmatisierung der VVN als kommunistische Organisation gegeben.

Die VVN erlebte in diesen Jahren nicht nur eine politische Stigmatisierung, ihr praktisches Handeln wurde durch polizeiliche Eingriffe immer wieder behindert.
1951 wurde der Gesamtdeutsche Rat der VVN, der in Frankfurt seinen Sitz hatte, durch die Adenauer-Regierung verboten, das Büro durch hessische Polizei geschlossen. Die Stadt Frankfurt verbot damals eine Gedenkkundgebung der VVN und die Stadt Kassel untersagte der VVN sogar die Teilnahme an der Einweihung des Mahnmals für die Opfer des Faschismus. Zwar wurde dies später per Gericht als rechtswidrig erklärt, aber es zeigt das politische Klima dieser Jahre.
Ein Lichtblick: Trotz Forderungen der CDU weigerte sich die SPD-Landesregierung, ein Verbot der hessischen VVN in Erwägung zu ziehen.

APO und Studentenbewegung veränderten die Perspektiven auf alte Nazis in Amt und Würden („Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren“) und damit auch auf die Arbeit der VVN, so dass die Antifaschisten auch unter jungen Leuten politisches Gehör fanden. Die VVN reagierte durch die Öffnung der Organisation für nachgeborene Generationen und hieß seitdem VVN-Bund der Antifaschisten – ein Schritt, der richtig, aber in manchen Kreisvereinigungen durchaus mühselig war.

Doch die politischen Herausforderungen waren offenkundig. Hier nur als Stichworte: Die Zunahme von alt- und neofaschistischen Provokationen, Hakenkreuz-Schmierereien und NPD–Wahlerfolge (in Fraktionsstärke im hessischen Landtag).
Gleichzeitig ging es um die Bewahrung der Erinnerung an Widerstand und Verfolgung. Dazu gründeten in diesen Jahren Vertreter der VVN gemeinsam mit Pädagogen und Wissenschaftlern hier in Frankfurt den Studienkreis deutscher Widerstand 1933-1945 e.V.

Ein sichtbares Zeichen der gewachsenen politischen Bedeutung von Antifaschismus und der antifaschistischen Organisation war der 10. Mai 1975, als auf dem Frankfurter Römerberg 40.000 Menschen– zum größten Teil aus den jüngeren Generationen – zum ersten Mal den Tag der Befreiung feierten.

In den folgenden Jahren war die hessische VVN-BdA aktiver Teil verschiedener Großaktionen und Kundgebungen – insbesondere gegen alte und neue Nazis, als es in Frankfurt gegen das Deutschland-Treffen der NPD ging oder in Oberaula und Bad Arolsen gegen die SS-Traditionstreffen. Die VVN war sichtbar und eine anerkannte Kraft in der demokratischen Bewegung unseres Landes.

Bei diesem kursorischen Rückblick auf die Verbandsgeschichte kann ich dennoch natürlich nicht auslassen, dass die hessische VVN-BdA in der Umbruchsperiode von 1989/90 ebenfalls in arge Probleme kam, da hauptamtliche Strukturen nicht mehr finanzierbar waren, Mitglieder die Organisation verließen und auch in Hessen CDU-Vertreter meinten, jetzt die VVN-BdA als DDR-Organisation angreifen zu müssen.

In dieser Periode haben sich in Hessen besonders unsere älteren Mitglieder mit großem persönlichem Einsatz für den Erhalt der Organisation eingesetzt. Ich möchte an dieser Stelle nur drei namentlich erwähnen, die sich im besonderen Maße für die hessische VVN-BdA eingesetzt haben:
Peter Gingold, der für diese Arbeit unermüdlich selbst viele unerquickliche Debatten und Sitzungen über sich ergehen ließ, 
Lorenz Knorr, der als Hesse sich Anfang der 1990er Jahre besonders auf Bundesebene engagierte,
und Peter Altmann, der als quasi ehrenamtlicher Landessekretär die Weiterarbeit der Landesorganisation ermöglichte.
Mit ihrer Hilfe und dem Engagement vieler Nachgeborener gelang es in den letzten drei Jahrzehnten die Organisation zu stabilisieren, zu profilieren und zu einem bis heute beachteten politischen Faktor zu machen.

An diesem 75. Jahrestag stehen wir vor neuen Herausforderungen für die Zukunft unserer Organisation, nämlich die Fortsetzung der Arbeit, wo unsere Zeitzeugen verschwunden sind. Welche moralische und politische Anerkennung sie besaßen, hatte in den vergangenen Jahren Esther Bejarano unter Beweis gestellt, die sich mit ihrem emotionalen Appell: „Es brennt, und die Politik sperrt die Feuerwehr aus“ mit großer öffentlicher Resonanz in die Auseinandersetzung um die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die VVN-BdA eingemischt hat.

Die Lücken, die der Verlust dieser Zeitzeugen reißt, sind nicht ernsthaft zu schließen. Wir – als Angehörige der nachgeborenen Generationen – müssen auf anderen Ebenen versuchen, das gemeinsame antifaschistische Anliegen fortzusetzen.

75 Jahre VVN – 18.7.2021 – Höchst

Drei Aspekte sind aus meiner Sicht dabei zentral:
1) Die Autorität der Zeitzeugen-Generation, die als Person im politischen Alltag Kristallisationspunkt und „Schnittmenge“ unterschiedlicher Strömungen waren, können wir nur durch eine intensive und vertrauenswürdige Bündnisarbeit kompensieren. Die VVN-BdA muss sich als zuverlässiger und handlungsfähiger Partner in politischen Bündnissen beweisen, wobei wir besonders auf die Integration unterschiedlicher Handlungsformen und inhaltlicher Zugänge zum Antifaschismus achten sollten.

2) In unserer Geschichtsarbeit geht es um zwei Perspektiven:
Wir müssen tatsächlich gegen alle Formen des historischen Vergessens ankämpfen. Dabei können wir als „Zeugen der Zeitzeugen“ auftreten, denn viele von uns sind durch die Begegnung mit Frauen und Männern aus Widerstand und Verfolgung selber Mitglied in den Reihen der VVN-BdA geworden.
Schwerpunkt in unserer Geschichtsarbeit kann nicht allein die allgemeine Aufklärung über die NS-Zeit sein, sondern insbesondere der Blick auf die Frauen und Männer, die diesem verbrecherischen Regime unter dem Risiko für Gesundheit, Freiheit und Leben widerstanden haben. An sie zu erinnern ist unsere Aufgabe.

3) Natürlich handeln wir gegen Neofaschismus und alle Formen von Rassismus, gegen Aufrüstung und Kriege als Fluchtursache, gegen den Abbau demokratischer Rechte und gegen Diskriminierungen in den verschiedenen Formen.
Wir haben dabei aber auch eine positive Vision einer neuen, sozial gerechten, menschenwürdigen, demokratischen, friedlichen Gesellschaft. Nicht im Sinne einer parteipolitischen Orientierung oder eines bestimmten Gesellschaftsmodells, sondern im Sinne des Schwurs von Buchenwald, also eine Gesellschaft, in der der Nazismus mit seinen gesellschaftlichen und sozialen Wurzeln beseitigt ist und eine neue Welt des Friedens und der Freiheit geschaffen wird.

Diese Vision haben wir entwickelt im gemeinsamen Handeln mit unseren politischen Müttern und Vätern, wie Ettie und Peter Gingold, Emil Carlebach, Lore Wolf, Otto Roth und nicht zuletzt Esther Bejarano.
In ihrem Sinne setzen wir unseren gemeinsamen antifaschistischen Kampf fort.

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