Gefährdet Rentnerin die Sicherheit des Staates?

27. Januar 2024

Erklärung zum 52. Jahrestags des „Radikalenerlasses“

Im Mai 2013 hat Silvia Gingold Klage gegen das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz erhoben. Mit der Klage wollte sie erreichen, dass die über sie gesammelten Daten gelöscht bzw. vernichtet werden und die Beobachtung durch den Geheimdienst eingestellt wird. Nun hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden, der Verfassungsschutz dürfe die heute 77-Jährige weiterhin beobachten, Daten über sie sammeln und somit ihre grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechte einschränken. Für diesen Beschluss hat sich das Gericht sechs Jahre Zeit genommen.

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Pressemitteilung der VVN-BdA Hessen vom 24.01.2024

24. Januar 2024

Die doppelte Bedeutung des 27. Januar


In diesem Jahr verbindet die VVN-BdA das Holocaust-Gedenken zum 27. Januar mit der Erinnerung an die Opfer der Blockade von Leningrad und unterstützt die berechtigten Forderungen der Überlebenden. Der sowjetischen Armee gelang das Durchbrechen des Blockaderings der NS-Wehrmacht am 27. Januar 1944.
In den Eroberungsplänen des deutschen Faschismus nahm der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 einen besonderen Platz ein. Es ging um die Rohstoffreserven der UdSSR und die industriellen Kapazitäten im Westen der Sowjetunion. Im „Fall Barbarossa“ waren diese Ressource fest eingeplant, um einen Krieg gegen die UdSSR überhaupt führen zu können. Die nach Osten vorrückende Wehrmacht sollte sich aus den Vorräten der örtlichen Bevölkerung versorgen und damit den dort lebenden Menschen, die als „slawische Untermenschen“ betrachtet wurden, die Lebensgrundlage nehmen. Zudem war es ein ideologisch motivierter Vernichtungskrieg gegen den „jüdisch-bolschewistischen Feind“.
Ende August 1941 erreichten die faschistischen Heere Leningrad, das heutige Petersburg. Erobern konnten sie die Stadt nicht. Am 8. September 1941 wurde der Blockadering geschlossen. Damit war die Großstadt, in der damals etwa drei Millionen Menschen lebten, im Süden durch deutsche Truppen und ihre spanischen Verbündeten, im Norden von finnischen Einheiten blockiert. Nur über den Ladogasee konnten zeitweise und unter großen Gefahren Lebensmittel und andere Versorgungsgüter in die Stadt gebracht werden. Die Blockade Leningrads und das Aushungern der Bewohner war Teil der verbrecherischen Kriegsführung der Nazis in Osteuropa, die mit dem Begriff „Vernichtungskrieg“ treffend charakterisiert wird. Vor über zwanzig Jahren sprach der Jenaer Historiker Jörg Ganzenmüller von einem „Genozid durch bloßes Nichtstun“. Mehr als eine Million Menschen starben während der Belagerung an Hunger und Mangelernährung. Dennoch haben die Menschen in Leningrad der faschistischen Blockade widerstanden und ein Zeichen gesetzt, dass die „unbesiegbare“ Wehrmacht an ihre Grenzen stößt. Der Überlebenskampf der Einwohner und der sowjetischen Armee, die im Winter die Versorgung der Menschen über die zugefrorene Ostsee organisierte, sind unvergessen.
Ein ganz eigenes skandalöses Kapitel ist der Umgang mit den Opfern und ihren Angehörigen des faschistischen Vernichtungskrieges durch die Bundesrepublik Deutschland. Seit Jahrzehnten lehnt die Bundesregierung jegliche Zahlung individueller Entschädigungen an nichtjüdische Bürger der damaligen Sowjetunion bzw. des heutigen Russlands grundsätzlich ab.
In einem offenen Brief an die Bundesregierung vom Herbst letzten Jahres beklagen die letzten Überlebenden der Blockade: „Mittlerweile sind wir weniger als Sechzigtausend, alles Menschen verschiedener Nationalitäten, die die Gräuel der belagerten Stadt überlebten.“ Sie verurteilen die Weigerung Berlins, eine für jüdische Überlebende zugesagte Entschädigung „auf alle heute noch lebenden Blockade-Opfer ohne Ansehen ihrer ethnischen Zugehörigkeit auszuweiten“. Schließlich hätten die deutschen Hungermordpläne „keine Ausnahmen aufgrund von Nationalität“ gekannt. „Wir appellieren an die deutsche Bundesregierung, die einzig richtige Entscheidung nicht hinauszuzögern und die humanitären Auszahlungen auf ausnahmslos alle Blockade-Überlebenden auszuweiten.“

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Nein zu Kriegen – Rüstungswahnsinn stoppen – Zukunft friedlich und gerecht gestalten!

11. November 2023

21 Kriege und 216 bewaffnete militärische Auseinandersetzungen bedrohen aktuell die Welt (Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung HIIK). Die Gefahr einer Ausweitung des Krieges in der Ukraine bis hin zu einem Atomkrieg wächst von Tag zu Tag. Täglich sterben unschuldige Menschen. Wir sind besorgt um unsere Zukunft, die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Wir brauchen eine Kultur des Friedens und eine gemeinsame Sicherheit.

Anstatt auf Deeskalation und Diplomatie zu setzen, liefert die Bundesregierung immer mehr Waffen und rüstet massiv auf. Große Teile der Politik und Medien militarisieren die Gesellschaft. Erstmals wird Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel (nach NATO-Kriterien) erreichen. Mit 85,5 Milliarden Euro sind die Militärausgaben 2024 die größten seit Bestehen der Bundesrepublik. Das Gesundheitswesen, die Infrastruktur, Unterstützung für Kinder und bezahlbare Mieten, Bildung, Wissenschaft und Ausbildung sind dagegen durch dramatische Mittelkürzungen bedroht. Für immer mehr Menschen zeichnet sich eine soziale und ökonomische Katastrophe ab.

Dazu tragen in erheblichem Maße auch die Sanktionen gegen Russland bei, die die Menschen im globalen Süden, in Europa und in Deutschland treffen: Inflation, gestiegene Energie- und Lebensmittelpreise sowie Reallohnverlust treffen die Bevölkerungen, vor allem deren ärmere Teile, und gefährden die industrielle Entwicklung auch in unserem Land. Im globalen Süden drohen Hungerkrisen, weil Getreide, Mais, Pflanzenöl und Düngemittel nicht mehr ankommen und die Preise massiv gestiegen sind.
Es ist höchste Zeit für eine Friedenspolitik in der Ukraine, in Europa und weltweit. Im Vorfeld des Krieges in der Ukraine wurden Warnungen ignoriert und Lehren zur Kriegsvermeidung missachtet. Wir müssen die Rutschbahn in Richtung 3. Weltkrieg und in ein soziales, ökonomisches und ökologisches Desaster stoppen. „Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“ (Willy Brandt) Nur im Frieden und nur durch gemeinsame globale Anstrengungen sind soziale Entwicklung, Schutz von Klima und Natur und eine lebenswerte Zukunft für alle möglich.

Wir verurteilen den russischen Einmarsch vom 24.2.2022 in die Ukraine. Ebenso verurteilen wir auch die vorangegangenen Vertragsbrüche und nicht eingehaltenen Zusagen der NATO-Staaten.

Die ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität. Ein Waffenstillstand und Verhandlungen zur Beendigung des Krieges statt einer weiteren Eskalation sind in ihrem Interesse. Das Töten und Blutvergießen und die Zerstörung des Landes und der Umwelt müssen umgehend gestoppt werden. Verhandlungslösungen und Pläne liegen auf dem Tisch. Verhandeln heißt nicht kapitulieren, sondern Lösungen für komplizierte Herausforderungen finden!

Wir fordern von der Bundesregierung ein Ende der ungehemmten Aufrüstung sowie eine sofortige Vermittlung für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Sie muss eigene diplomatische Initiativen entwickeln und bestehende Friedensvorschläge unterstützen – besonders die des globalen Südens.

Es gibt keinen Grund, sich von der Entspannungspolitik zu distanzieren. Das Versagen liegt vielmehr darin, dass sie 1990 nicht zur Leitidee des neuen Europas weiterentwickelt wurde. Wir treten ein für eine neue Entspannungspolitik und für Rüstungskontrolle und Abrüstung.

  • Die Waffen müssen schweigen. Verhandlungen und Diplomatie sind das Gebot der Stunde.
  • Waffenexporte und Eskalationspolitik verschärfen Kriege und Krisen und verlängern sie.
  • Abrüstung! Ausgaben für das Militär senken, Milliarden in soziale Ausgaben investieren.
  • Wir wollen eine soziale, ökologische und demokratische Bundesrepublik Deutschland als Teil einer gerechten Weltordnung ohne Krieg, Hunger und Ausbeutung.

Es ist Zeit, dass wir Bürgerinnen und Bürger uns wieder stärker in die politischen Auseinandersetzungen einmischen. Deshalb rufen wir auf, am 25.11 – am Samstag vor der Verabschiedung des Bundeshaushaltes – gemeinsam für Frieden und Abrüstung, Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine und Friedensverhandlungen zu demonstrieren.

Dieser Aufruf wurde vor dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel erstellt. Die Initiatoren haben deshalb erklärt:

Die jüngste Eskalation der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern hat uns entsetzt. Menschen wurden ermordet, verschleppt, oder werden durch Bomben getötet. Wir trauern um alle Opfer der Gewalt, unser Mitgefühl gehört ihren Angehörigen.

Unser Aufruf zur Friedensdemonstration in Berlin am 25. November wurde vor dem grauenhaften Angriff auf Israel am 7. Oktober und der Reaktion mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen die Palästinenser veröffentlicht. Der Teufelskreis aus gegenseitigem Hass, aus Rache und Zerstörung im Nahen Osten bestätigt aber auf tragische Weise die Feststellung in unserem Aufruf: „Wir brauchen eine Kultur des Friedens und eine gemeinsame Sicherheit.“ Krieg und Militär werden die Probleme nicht lösen. Nicht im Nahen Osten, nicht in der Ukraine, nicht an anderen Kriegsschauplätzen.

Wir lehnen Gewalt als Mittel der Politik ab. Wir sind überzeugt, dass sich Terror gegen Zivilisten nicht mit Kriegsverbrechen gegen Zivilisten aus der Welt schaffen lässt. Deren Schutz muss in der gegenwärtigen Lage oberste Priorität haben. Das verlangen Menschlichkeit und Völkerrecht. Wir fordern Deeskalation, eine sofortige Waffenruhe und Zugang für ausreichend humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen, wie es die Resolution der UN-Vollversammlung vom 27. Oktober verlangt. Sie wurde mit einer Zweidrittel-Mehrheit angenommen – darunter die EU-Mitglieder Frankreich, Spanien, Portugal, Belgien, Irland, Luxemburg und Malta. Der seit fast 80 Jahren andauernde Nahost-Konflikt mit mehreren Kriegen kann nur durch eine politische Regelung gelöst werden, in deren Zentrum die Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1967 steht, wie es zahlreiche UN-Beschlüsse und das unter US-Schirmherrschaft vereinbarte Osloer Abkommen vorsehen. Sonst droht eine weitere Eskalation, mit dem Risiko eines regionalen Flächenbrands. Ein Ende der Gewalt liegt nicht nur im Interesse der palästinensischen Bevölkerung, sondern auch der Menschen in Israel.

Unsere Demonstration und Kundgebung am 25. November in Berlin soll ein Signal für Frieden weltweit sein. Damit ist sie auch eine Demonstration und Kundgebung für Frieden im Nahen Osten.

Der Aufruf: https://nie-wieder-krieg.org/

Die Erklärung zum Nah-Ost-Krieg: https://nie-wieder-krieg.org/2023/11/10/erklaerung-der-initiatoren-der-friedensdemonstration-am-25-11-zum-nahostkrieg-2/

Verfassungsschutz – Wie der Geheimdienst Politik macht

20. Oktober 2023

Autorenlesung mit Ronen Steinke am 7. November in Wiesbaden

Inlandsgeheimdienste in Deutschland spionieren Bürger*innen aus, die keine Gesetze verletzen. Dabei haben sie enorm große Freiheiten und eine enorm große Macht. Auch am Beispiel von zwei hessischen Antifaschist*innen, die sich – gemeinsam mit anderen Kläger*innen – gegen die Befugnisse von Verfassungsschutz und Polizei in Hessen mit Verfassungsbeschwerden zur Wehr setzen, wird dies deutlich.

Die 16 Landesämter und das Bundesamt für „Verfassungs“schutz haben viel mehr Einfluss auf politische Bewegungen, als es der Öffentlichkeit bewusst ist. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik gab es so viele offizielle und heimliche Mitarbeiter*innen der „Verfassungs“schutz-Ämter, die die eigene Bevölkerung ausforschen. Das Personal der Ämter hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt, ihre Budgets verdreifacht.

Ronen Steinke recherchiert seit Jahren im Milieu der Inlandsgeheimdienste. Sein Buch Verfassungsschutz – Wie der Geheimdienst Politik macht ist seit Mitte 2023 im Buchhandel erhältlich. Daraus lies er bei einer Veranstaltung am 07.11.2023 um 19.00 Uhr im Kesselhaus des Kulturzentrums Schlachthof in Wiesbaden. Der Eintritt ist frei.


Zwei hessische Antifaschist*innen klagen vor dem Bundesverfassungsgericht in Sachen Überwachung durch das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV)

20. Oktober 2023

Ein Gastbeitrag von Datenschutzrheinmain von der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main

Unterstützt durch die Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) haben – neben fünf weiteren Personen (darunter die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz) – die hessischen Antifaschistinnen Silvia Gingold und Norbert Birkwald 2019 vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Verfassungsbeschwerde gegen das im Jahr 2018 novellierte Hessische Verfassungsschutzgesetz (HVSG) eingereicht. 2022 setzte das BVerfG mit seiner Entscheidung zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz (Aktenzeichen: 1 BvR 1619/17) Maßstäbe für alle anderen Verfassungsschutzgesetze – so auch für das Hessische Verfassungsschutzgesetz (HVSG).

Trotz der daraufhin erfolgten Novellierung des HVSG durch die schwarz-grüne Mehrheit im Hessischen Landtag hat der von der GFF beauftragte Jurist Prof. Dr. Tobias Singelnstein festgestellt, dass das HVSG in weiten Teilen nicht den Vorgaben des o. g. Urteils des BverfG entspricht und weiterhin verfassungswidrig ist. Nach eingehender Prüfung hält die GFF deshalb an ihrer Verfassungsbeschwerde fest, die bereits gegen das hessische Polizeigesetz (HSOG) Erfolg hatte. 
In einer Stellungnahme vom 25.09.2023 gegenüber dem BVerfG erklärt Prof. Dr. Tobias Singelnstein eingangs: „In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren der Frau Silvia Gingold u.a. […] machen die Änderungen eines Teils der angegriffenen Regelungen durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung sicherheitsrechtlicher Vorschriften und zur Umorganisation der hessischen Bereitschaftspolizei vom 29. Juni 2023 […] eine Anpassung des Verfahrensgegenstandes erforderlich. Hinsichtlich folgender Regelungen des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes halte ich ungeachtet partieller Änderungen durch das Gesetz vom 29. Juni 2023 an der Verfassungsbeschwerde fest…“ 
In seinem Schriftsatz verweist Prof. Dr. Tobias Singelnstein dann vor allem auf folgende Sachverhalte: 

a) Die hessische Landesregierung hat die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht vollständig umgesetzt. 

b) Besonders eingriffsintensive Maßnahmen wie die länger andauernde Ortung von Mobilfunkgeräten oder der Einsatz von verdeckten Ermittler*innen über einen längeren Zeitraum sind nach dem HVSG bei „erheblich beobachtungsbedürftigen Bestrebungen“ zulässig. Um unter diese „Bestrebungen“ zu fallen, reichen bereits geringfügige Straftaten wie Sachbeschädigung aus.

c) Bei anderen Maßnahmen ist noch nicht einmal das erforderlich. Hier soll es ausreichen, wenn eine „beobachtungsbedürftige Bestrebung“ vorliegt. Der Verfassungsschutz kann beispielsweise verdeckte Ermittler*innen bis zu sechs Monate einsetzen sowie Auskünfte von Verkehrsunternehmen einholen. Da Verkehrsunternehmen (ÖPNV, Car- und Bikesharing, Taxi-Appsr etc.) heutzutage viele Informationen digital speichern, ermöglichen es die Auskünfte, Bewegungsprofile zu erstellen. Dafür muss keine gesteigerte Beobachtungsbedürftigkeit vorliegen, obwohl massiv in Grundrechte der betroffenen Bürgerinnen eingegriffen wird.

d) Im Urteil zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz stärkte das BVerfG das – aus der bitteren Erfahrung des Faschismus herrührende – Trennungsprinzip zwischen Verfassungsschutz einerseits, Polizei und anderen Sicherheitsbehörden andererseits. Es setzt klare Schranken für den Informationsaustausch von geheimdienstlich erhobenen Daten.

e) Was die Übermittlung von Daten an andere Behörden betrifft, erfüllt das 2023 novellierte HVSG die Entscheidungsmaßstäbe des Urteils des BverfG nicht. Noch immer ist es unter sehr niedrigen Voraussetzungen möglich, Daten des Geheimdienstes beispielsweise an Ausländerbehörden zu übermitteln, die diese für die Abschiebung der Betroffenen nutzen können.

Die GFF stellt stellt dazu fest:

Für einen ungewissen Gewinn an Sicherheit nimmt die hessische Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und Grünen schwerwiegende Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte der in Hessen lebenden Menschen in Kauf. Dazu zählen auch Silvia Gingold und Norbert Birkwald, beides engagierte Mitglieder der VVN in Hessen. 

Bereits in der ersten Verfassungsbeschwerde aus dem Jahr 2019 wurde dazu – bezogen auf die beiden Antifaschistinnen – u. a. festgestellt: 

„Die Beschwerdeführerin zu 1 (Silvia Gingold) lebt in Kassel und ist Lehrerin in Ruhestand. Sie stammt aus einer jüdischen Familie, ihr Vater Peter Gingold war nach seiner Flucht aus Deutschland im französischen Widerstand gegen den Nationalismus aktiv… Die Beschwerdeführerin… ist bis heute in der VVN-BdA aktiv Die VVN-BdA versteht sich als überparteiliche Sammelorganisation von Menschen, die gegen neofaschistische, rassistische und nationalistische Bestrebungen eintreten. Obwohl die VVN-BdA im Jahresbericht des Landesamts nicht namentlich genannt wird, steht die VVN-BdA nach Angaben des Landesamts gleichwohl in Hessen ebenso wie in zahlreichen anderen Bundesländern unter Beobachtung… Die Beschwerdeführerin… ist dem Landesamt nachweislich auch persönlich bekannt und wird bis heute vom Landesamt beobachtet… Seit 2009 wird beim Landesamt eine Personenakte zur Beschwerdeführerin… geführt. Dies brachte sie durch eine Anfrage vom 16.10.2012 an das Landesamt in Erfahrung. Mit Antwort vom 18.11.2012 teilte man ihr mit, dass sie seit 2009 im Bereich Linksextremismus gespeichert sei… Die Beschwerdeführerin erhob 27.05.2013 Klage gegen das Landesamt und verlangte vollumfängliche Auskunft über die über sie erhobenen Daten sowie Löschung dieser Daten… Auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens hat das Landesamt die personenbezogenen Daten der Beschwerdeführerin nicht offengelegt, über 100 Seiten der Akte waren überwiegend geschwärzt. Das Landesamt hat im Rahmen des Verwaltungsgerichtsverfahrens am 07.10.2013 eine Sperrerklärung für nicht vorgelegte Bestandteile der Akte abgegeben… Diese Sperrerklärung weist darauf hin, dass im direkten Umfeld der Beschwerdeführerin auch verdeckte Ermittlerinnen und Vertrauenspersonen eingesetzt werden…“

„Der Beschwerdeführer zu 2 (Norbert Birkwald) lebt in Mörfelden-Walldorf und ist Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) in Hessen. Als Lehramtsanwärter erhielt der Beschwerdeführer… 1974 ein Berufsverbot und hat in Folge dessen auch in späteren Jahren keine Stelle als Lehrer gefunden… Im Komitee ‚40 Jahre Berufsverbote‘ setzt er sich gegen die Nachwirkungen der Berufsverbote ein und hat sich in diesem Zusammenhang beim hessischen Landesamt für Verfassungsschutz erkundigt, welche Daten über ihn vorliegen. Am 7. Juni 2018 erhielt der Beschwerdeführer… auf Nachfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz die Auskunft, dass über ihn Daten im Phänomenbereich Linksextremismus gespeichert sind. Diese Daten umfassten seine Stellung als Mitglied im Sprecher*innenrat der VVN-BdA und seine Funktion als Webmaster der Internetseiten der VVN-BdA Hessen und der Internetseite der DKP-Linke Liste Mörfelden-Walldorf… In der Akte des Landesamts für Verfassungsschutz der Beschwerdeführerin zu 1 (Silvia Gingold) taucht der Beschwerdeführer zu 2 ebenfalls auf, als Teilnehmer an einer Demonstration gegen die NSU und zu 40 Jahren Berufsverbote im Jahr 2012…“ 
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Zur Finanzierung dieser und anderer Verfassungsbeschwerden sind Spenden an die GFF notwendig. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. ist als gemeinnützig anerkannt und stellt Spendenbescheinigungen zur Vorlage beim Finanzamt aus.


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